Grundsätzliche Überlegungen zum Wörterbuch

Ein starkes Europa beginnt an seinen Grenzen. Es räumt der grenzüberschreitenden Begegnung von Menschen in ihrer ganzen Identität einen hohen Stellenwert ein. Grenzen sind seine Nahtstellen. Damit das Ganze gut zusammenhält, müssen die Nähte stark sein. Die Nahtstärke ergibt sich aus der Intensität und der inhaltlichen Qualität des grenzüberschreitenden Dialogs.

Ein starkes Europa muss dem Respekt vor den Muttersprachen der Menschen und damit vor den Menschen, die sie sprechen, große Bedeutung beimessen. Dies gilt ganz besonders in der gegenwärtigen historischen Phase der europäischen Einigung und sicherlich noch für einen zeitlich schwierig abzuschätzenden zukünftigen Zeitraum. Wenn man von Veränderungen und Wandlungen im Bereich von Sprachen und Kulturen spricht, dann tut man gut daran, sich in Geduld zu üben. Sie brauchen Zeit. Solche Prozesse lassen sich nicht verordnen, sie laufen langsam ab. Wissen über den eigenen Sprach- und Kulturraum, Erfahrungen, Verhaltensmuster und Verhaltenserwartungen, Denkmuster, Werte und Wertungen, der Ausdruck von Gefühlen, von Höflichkeit u.v.m. werden schon – und ganz wesentlich – im frühen Lebensalter in der Muttersprache und durch die Muttersprache vermittelt und geprägt. Ein grenzüberschreitender Dialog muss diesem Umstand Rechnung tragen.

Die Wertschätzung gegenüber dem Anderssprachigen bringe ich am besten dadurch zum Ausdruck, dass ich seine Sprache spreche. Das Bemühen, ihn damit in seiner Identität anzuerkennen, wird von ihm geschätzt und ist die Grundlage für eine gute menschliche Beziehung. Das Konzept des Wörterbuchs leitet sich unmittelbar aus dieser Einsicht ab. Es soll zum aktiven Gebrauch der französischen Sprache in Wort und Schrift anleiten.

Die vorhergehenden Überlegungen können falscher nicht verstanden werden, wenn sie als eine Gegenposition zur englischen Sprache gedeutet werden. Folgendes gilt es zu bedenken. Solange die englische Sprache nicht muttersprachlich von den Kindern in Europa erworben wird, kann sie auch nicht die oben beschriebenen wichtigen Funktionen einer Muttersprache übernehmen. Sie wird damit ganz einfach überfordert. Die Zukunft wird zeigen, ob es dazu kommt. Vorstellbar auf diesem langen Weg zu einer gemeinsamen englischen Muttersprache in Europa sind durchaus viele Zwischenstadien, in denen es zu Mischformen der jeweiligen Landessprachen mit der englischen Sprache kommt. Im gegenwärtigen historischen Stadium der Annäherung der europäischen Sprach- und Kulturgemeinschaften kann die englische Sprache sehr gut die Funktion einer sogenannten Vehikular- oder Verkehrssprache erfüllen. In vielen Regionen der Welt gibt es ein Nebeneinnander von sogenannten Vernakularsprachen und Vehikularsprachen. Die ersten dienen der Kommunikation über Gegenstände, Themen und Erfahrungen des Alltags, die letzten dienen einer "überregionalen" Kommunikation in der geschäftlichen Sphäre. Die englische Sprache erfüllt darin eine wichtige ihr adäquate Funktion. Ich plädiere deshalb für ein gleichwertiges Nebeneinander von französischer und englischer Sprache im Saarland.